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Bericht 21.05.2014 von Jürgen Weber
Vier Stühle in den Schulbänken der Geschwister-Scholl-Schule und der Gebhardschule in Konstanz blieben am Morgen leer. Ohne sich von ihren Schulfreundinnen und Schulfreunden verabschieden zu können wurden die vier Schwestern Sefda (13), Fidan (10), Nakie (8) und Isik (7) aus dem Schlaf gerissen und von der deutschen Polizei abtransportiert. Dies ungeachtet dessen, dass bereits über 1000 Bürgerinnen und Bürger für den Verbleib der Kinder eine Petition unterzeichnet haben.
Die Flüchtlinge in der Konstanzer Steinstraße sind schockiert. „Gestern haben wir hier noch zusammen gespielt“, mehr sagt das Mädchen am Rande des Spielplatzes vor der Flüchtlingsunterkunft in der Konstanzer Steinstraße nicht zu mir. Die Eltern haben hier nicht minder Angst als ihre Kinder. Kam die Abschiebung mitten in der Nacht doch ohne vorherige Ankündigung und völlig unerwartet. Erst vor einigen Tagen, so ein Zimmernachbar von Ahmet O., dem Vater der Mädchen, habe die Familie eine Duldung auf der Ausländerbehörde erhalten: „Für drei Monate“, zeigte ihm Ahmet O. seine Duldungs-Papiere der Stadt Konstanz. Doch genau diese trügerische Sicherheit der für die Behörden nicht bindenden Papiere zur „Aussetzung der Abschiebung“ verunsichert nun alle anderen Flüchtlingsfamilien. „Wer soll in diesen Mauern noch ruhig schlafen, wer soll hier am nächsten Tag zur Schule gehen und lernen können, wenn jederzeit die Polizei zum Abtransport in der Zimmertüre stehen kann“, so eine erste Reaktion aus dem Kreis der Unterstützerinnen und Unterstützer der Flüchtlinge.
Der Hergang in der Nacht lässt sich wie bei den letzten Abschiebungen in Konstanz und Radolfzell rekonstruieren. Die Polizei ist offenbar durch „behördeninterne“ Amtshilfe aus dem Landratsamt im Besitz der privaten Zimmerschlüssel, so die Beobachtung von Flüchtlingen aus der Unterkunft. Dementieren will oder kann der Pressesprecher des Konstanzer Landratsamtes, Manfred Roth, diesen Sachverhalt nicht. Die Polizeibeamten verschafften sich auch in der Nacht zum 20. Mai 2014 etwas nach 2 Uhr Zutritt zum Zimmer der sechsköpfigen Familie. Mitten aus dem Schlaf gerissen sollten diese in wenigen Minuten ihre Habe packen. Soviel diese tragen konnten. Die Spiel- und Schulsachen der Kinder sowie der große Rest des persönlichen Eigentums blieb im Zimmer in der Steinstraße zurück. Dieses war am Morgen nach der Abschiebung wieder verschlossen. Über den Verbleib solcher persönlichen Gegenstände wie Kleidung und Sachgütern konnte der Pressesprecher der Behörde auf Anfrage von esPRESSo im März dieses Jahres keine belastbare Aussage treffen. Wie bereits bei einer Abschiebung im Februar wurde zudem der Vorwurf von Flüchtlingen aus der Steinstraße erhoben, dass Arbeitsentgelte für erbrachte Arbeit der Eltern der nun abgeschobenen Familie vom Landratsamt nicht ausbezahlt und einbehalten wurden.
Für Unruhe in der Unterkunft sorgen jedoch in erster Linie die nächtlichen Polizeiaktionen. Wie die Bewohnerinnen und Bewohner berichten wurde die Familie in Begleitung der Polizei in einen Reisebus gebracht. Es steht also zu befürchten, dass es sich in der Nacht zum 20. Mai um eine so genannte Sammelabschiebung von Roma gehandelt hat. Ob weitere Familien aus dem Landkreis Konstanz oder benachbarten Kreisen betroffen sind, ist derzeit nicht bekannt.
Empört zeigen sich Aktive aus dem Arbeitskreis Roma-Solidarität darüber, dass die Abschiebung der Familie aus dem Konstanzer Lager erfolgte, obwohl derzeit bereits über 1000 Bürgerinnen und Bürger eine Petition für den Verbleib der Kinder und Familien im Landkreis unterzeichnet haben. Auf dem Titelbild der Aktion sind die Kinder des Konstanzer Lagers abgebildet, von denen nun vier mitten aus dem Kreis dieser Kinder und ihrer Konstanzer Schulen einer Zukunft ohne Perspektive und in Diskriminierung entgegen gehen.
Die aus Konstanz abgeschobene Familie stammt aus Bitola im Süden Mazedoniens. Der gleichen Stadt, in die ein Roma-Ehepaar aus Konstanz im Februar 2014 abgeschoben wurde. Mazedonische Behörden haben sie nach der Abschiebung verhört und danach ohne Gesundheitsversorgung, Sozialansprüche und ohne Pässe praktisch „vogelfrei“ in die Obdachlosigkeit geschickt. Zudem wurde der Mann nach einem Gerichtsverfahren zu einer Geldstrafe von 1500 Euro wegen „Verunglimpfung des mazedonischen Staates“ verurteilt. Sein Verbrechen: Die Angabe von Fluchtgründen aus Mazedonien im deutschen Asylverfahren. Der Mann kann diese Strafe nicht bezahlen und ihm droht nun Gefängnis.
Es steht zu befürchten, dass die Familie mit ihren Kindern in diesen Stunden nach der Abschiebung ähnliches durchmacht.
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